Frauen stehen sich oft selbst im Weg

Stipendiatin 1983, Abteilungsleiterin „Wissen und Religion“ beim WDR

Maria Dickmeis fand auf Umwegen zum Journalismus und hat dort trotz einiger Hürden Karriere gemacht. Im Interview spricht sie darüber, was Frauen in ihrem Beruf oft falsch machen und warum die alleinerziehende Mutter ihre Kollegen manchmal belogen hat.

Von Isabella Escobedo (Stipendiatin 2017).

Maria Dickmeis, Stipendiation 1983, war Lehrerin und entdeckte in Kolumbien die Leidenschaft für den Journalismus. Seit 1988 Redakteurin beim WDR, inzwischen Abteilungsleiterin „Wissen und Religion“

Energisch und strahlend tritt Maria Dickmeis ins Büro, durch dessen Fenster der Kölner Dom zu sehen ist. Sie redet viel und schnell. „Waren sie schon einmal beim WDR? Kennen Sie sich hier aus? Kommen Sie, ich zeige Ihnen alles“, sagt sie. Ein wenig wehmütig ob des anstehenden Umzugs ihrer Abteilung in ein anderes Gebäude führt sie mich durch die vierte Etage des WDR-Gebäudes in den Arkaden im Kölner Zentrum. Dickmeis spricht über „ihren Campus“ in kollegialem, wohlgesinntem Ton. Sie leitet den Campus Wissen und Religion des WDR und ist unter anderem für die Produktion von Sendungen wie „Quarks & Co.“, „Planet Wissen“ oder „Tag7“ verantwortlich.

Maria Dickmeis kam auf Umwegen zum Journalismus. Zunächst war sie sechs Jahre Fachlehrerin für Sport und Musik an einer Bischöflichen Sekundarschule in Essen und ging, nachdem sie auf der Abendschule Abitur gemacht hatte, für ein Jahr zu den „Schwestern vom Armen Kinde Jesu“ nach Bogota. Während sie in Kolumbien lebte und dort mit einer komplett anderen Lebensrealität konfrontiert wurde, kam Sie ihrer Berufung auf die Fährte. Sie wollte vermitteln, Brücken bauen und über die Ungleichheit der Welt informieren. Noch von Kolumbien aus bewarb sie sich für das Journalismus-Studium in Dortmund und für die studienbegleitende Ausbildung beim ifp. Es war, wie sie heute sagt, ihr innerer Kompass, der sie „geradeaus auf krummen Wegen zum Ziel“ geführt hat. 

Isabella Escobedo: Frau Dickmeis, was waren die ersten Schritte ihrer beruflichen Laufbahn als Journalistin?

Maria Dickmeis: Ich habe im Rahmen meines Studiums in Dortmund beim WDR volontiert. Nach meinem Abschluss lud mich Werner Hamerski, der damalige Chef der WDR-Redaktion „Gott und Welt“, zu einem Vorstellungsgespräch ein. Er hatte den Tipp übers ifp bekommen. Eigentlich konnte ich mir damals nicht vorstellen, in einer katholisch und evangelisch ausgerichteten Redaktion zu arbeiten, die Politik und das Soziale waren

meine Schwerpunkte. Aber der charismatische Hamerski beeindruckte mich, ich wusste, von ihm kann ich viel lernen. Das hat sich auch bewahrheitet: Schon nach wenigen Monaten habe ich meine erste eigene Publikumssendung kreiert und moderiert. Was immer ich an Ideen hatte, mein Chef hat mich unterstützt und kritisch begleitet, das war einzigartig. So sind gute Chefs.

„Es war eine Art reduzierendes Wohlwollen“

Haben sie zu Beginn ihrer Karriere gespürt, dass sie als junge Frau anders wahrgenommen und behandelt wurden?

Ja, gerade zu Anfang meines Berufslebens glaubten wohlwollende männliche Kollegen mir erklären zu müssen, wie die Welt funktioniert. Das war sicherlich lieb gemeint, aber auch extrem überheblich. Es war eine Art reduzierendes Wohlwollen, nach dem Motto: „Sei froh über das, was du erreicht hast, anstatt nach mehr zu streben.“ Weiterlesen

Maria Dickmeis gibt sieben Tipps für den Erfolg:

  1. Wofür brennst Du? Was ist Dein Motor für den Journalismus? Welche Werte tragen Dich?
  2. Groß und quer denken! Begnüge Dich nicht mit dem, was alle tun.
  3. Lass Dir nicht sagen, wo Dein Platz ist – auch wenn es gut gemeint ist.
  4. Kompetenzen bekommt man nicht, man nimmt sie sich.
  5. Verzweifle nicht an Deinen Fehlern – konzentriere Dich darauf, was Du aus ihnen lernen kannst.
  6. Fokussiere die Zukunft: Wo will ich in 10 Jahren beruflich stehen?
  7. Lerne nur von den Besten!

Hat sich die Rolle von Frauen in Medienberufen gewandelt? 

Ich kann natürlich nur von meinen Erfahrungen beim WDR sprechen. Hier gab es seit meinem Start vor 30 Jahren eine wachsende Offenheit für die Gleichberechtigung von Kolleginnen und Kollegen. Die aktive Frauengruppe hat das sehr nach vorne getrieben. Ich habe nur sehr wenige konkrete Fälle von Belästigung mitbekommen – aber in diesen wurde gehandelt, als die Frauen sie publik machten.

Was die Work-Life-Balance angeht, die Vereinbarkeit von Familie/Beruf/Karriere, gibt es noch Luft nach oben – überall im Arbeitsleben. Auch hier habe ich den WDR als unterstützend erlebt. Auf Kinder muss Rücksicht genommen werden, das ist Konsens – und da spreche ich nicht nur von tariflichen Vorgaben. Wenn Kinder krank sind und Vater oder Mutter zu Hause bleiben müssen, dann finden das mittlerweile alle in Ordnung, gemeinsam findet man Lösungen. Das war zu Beginn meines Berufslebens anders.

Wie haben Sie das damals erlebt?

Da war es schwierig offen zuzugeben, dass man als alleinerziehende Mutter samstags die kranken Kinder pflegen oder bei seinen Jungs am Fußballfeld stehen muss und deswegen nicht allzeit verfügbar für den Arbeitgeber ist. Um verständnislose Blicke, übrigens auch von Frauen, zu verhindern, war es schlauer, stattdessen wichtige andere Termine vorzuschieben. Das waren meist nicht die Chefetagen, die Unverständnis zeigten, sondern die KollegInnen aus dem eigenen Arbeitsumfeld. Wenn Männer Zeit für ihre Kinder einforderten, wurde das dagegen mit Bewunderung akzeptiert.

„Das ist kein Job wie jeder andere. Dafür brenne ich.“

Trotz vieler Hürden haben sie als alleinerziehende Mutter von Zwillingen Karriere gemacht. Was hat Ihnen dazu verholfen? 

Ich war schon immer eher erfolgsorientiert, habe gehandelt statt gewartet. Mein innerer Kompass hat mich „geradeaus auf krummen Wegen“ zum Ziel geführt. Natürlich packte auch mich manchmal die Angst, das alles nicht packen zu können. Aber das Ziel hat mich immer stärker motiviert als der Zweifel, weil es im Journalismus um etwas geht. Das ist kein Job wie jeder andere. Dafür brenne ich.

Ich habe mich stark mit mir auseinandergesetzt – mit meinen Stärken, meinen Schwächen, meinen Zweifeln. Das hat enorm geholfen. So konnte ich mit ihnen arbeiten und sie konstruktiv nutzen.

Heute coachen sie selbst Frauen in Bezug auf Leben und Karriere. Was erleben Sie dort?

Frauen stehen sich oft selbst im Weg. Sie tendieren dazu, alles richtig machen zu wollen, 120 Prozent zu geben – überall. Dieser Anspruch blockiert. Man kann es nicht jedem recht machen,  und das ist in Ordnung. Frauen sind außerdem häufig sensibel für Stimmungen und Emotionen. Wenn sie sich aber davon leiten lassen, kostet das viel Kraft und nimmt die Konzentration aufs Wesentliche.

Auch mit Kritik tun sie sich nicht leicht, nehmen sie persönlich, lassen sich davon runterziehen; das tun aber nicht nur Frauen. Das geht existentiell an den Selbstwert und verstellt den konstruktiven und lustvollen Blick nach vorne, auf das, was man erreichen will – wenn man es denn klar hat, aber das ist eine andere Baustelle. Das alles behindert den beruflichen Aufstieg und vor allem, die Freude darauf.

Wie erleben Sie den Unterschied zu Männern? 

Männer lernen schon als kleine Jungs beim Fußballspielen, dass es okay ist zu verlieren. Die stehen dann einfach wieder auf und machen weiter, anstatt sich mit Selbstzweifeln und Vorwürfen zu plagen. Das leben sie auch im beruflichen Alltag.

„Auch Männer haben sich verändert“

Wie sieht dann die Gleichberechtigung in der Zukunft aus?

Die Arbeitswelt muss sich weiter verändern, das bestreitet kaum noch jemand. „Weibliche“ Stärken müssen als Potential für Unternehmen gesehen und gelebt werden, nicht nur in freundlichen Reden, sondern bis in die höchsten Führungsetagen. Gerade Frauen in Führungspositionen passen sich leider immer noch oft männlichen Haltungen an – aus der Angst, sonst unterzugehen.

Aber da bricht eine Menge in den Unternehmen auf. Es ist auch von Vorteil, als Frau das Spiel und die Spielregeln der anderen zu kennen. Und nur unter uns: Auch Männer haben sich verändert. Vor dem Hintergrund radikaler Veränderungen in der Gesellschaft und großer Herausforderungen in der Welt, ist es wichtiger denn je, Verbündete und Gleichgesinnte zu erkennen – egal ob Mann, Frau oder Menschen anderen Geschlechts. 

Von: Isabella Escobedo, Stip 2017. Stationen beim Jugendmagazin „f1rstlife” und dem „Südkurier” . Sommer 2018: Praktikantin „Wirtschaftswoche”, Berlin. Im Netz ist sie auf Torial und Instagram zu finden.